Balkan

Die 100er Etappen flutschen nun immer leichter über die Kurbel. Dies könnte jetzt mit meiner mittlerweile durchaus spürbaren Leistungssteigerung zu tun haben. Unter Anbetracht der um buchstäblich 180 Grad gedrehten äußeren Bedingungen, läuft diese allerdings unter Peanuts. Wobei ich jetzt nicht dauerhaftem Rückenwind verspüre, sind dem Radler ohnehin windstille Bedingungen die liebsten. Es verhält sich in etwa wie mit der Gattung Hund - am Besten man hat nichts mit ihm zu tun. Die Hunde sind bei Temperaturen um 30°C nun ohnehin wesentlich entspannter. Und wo nun immer mehr Katzen und Hühner den Tag unversehrt überstehen, ist auch das Dasein eines Radlers wesentlich sicherer vor Wadenbissen.

Blick nach Bulgarien

In Bulgarien, östlich von Sofia, ist nun von Kilometer zu Kilometer der Wandel ins Orientalische wahrzunehmen. Seien es die Zimmereinrichtungen der Unterkünfte oder die Musik, die laut aus den ansonsten verschlafenen Dörfern dröhnt. Außerdem gesellen sich zu den Schafen auch immer mehr Ziegenherden. Mich versetzt die 1-stündige Zeitverschiebung ab Bulgarien um eine komplette Nahrungsaufnahmezone. So geht das Frühstück nicht nur wegen des Angebots als Mittagessen durch und ich sitze selten vor 12 Uhr im Sattel.
In Pasardschik, einem schicken Ort in Zentralbulgarien, verweile ich ein wenig über Mittag und versuche mich von meinen restlichen serbischen Dinar zu entledigen. Der Mann in der Wechselstube schaut mich aber nur entgeistert an und schüttelt den Kopf. Nun bin ich doch etwas verwundert, dass die Währung des Nachbarlandes bereits als exotisch angesehen wird. Im Sivelingrad, meinem letzten Ort in Bulgarien, erbarmt sich dann doch noch ein Währungshändler und gibt mir zu einem äußerst miserablen Kurs ein paar türkische Lira dafür. Zumindest wieder etwas mehr Platz im Geldbeutel.

Beim Bloggen

Bei der morgendlichen Routenplanung bemerke ich nun, dass der Grenzübergang von Bulgarien in die Türkei direkt in eine Autobahn mündet. Außerdem wurde mir von langen Wartezeiten von 2-8 Stunden an dieser Grenze berichtet, wesshalb ich mich für einen ca. 20 km weiteren Umweg über Griechenland entscheide, der sich plötzlich zu einem immer schlechter werdenden Feldweg entwickelt.
Dass nun ausgerechnet in Griechenland die erste Piste mit Schiebepassagen auf mich warten, hätte ich auch nicht gedacht. So wate ich also schwitzend durch den tiefen Sand, wofür mein Fahrvermögen mit dem bepacktem Rad nicht mehr ausreicht und es kommen so langsam Zweifel auf, ob dieser Umweg nun wirklich eine gute Idee war. Und als ob sei dies noch nicht genug, steh ich, zwar wieder mit Asphalt unter den Reifen, vor einem Fluss, der die Straße in sich aufnimmt. Etwas ungläubig über den etwa 150 Meter breiten Strom schauend, wo denn das Shuttleboot gerade steckt, beginne ich zu begreifen, was mir nun blüht. Ich ziehe also meine Sandalen an und begutachte Strömung und Wassertiefe. Es scheint ein für Jeeps angelegter Übergang ans andere Flussufer. Die mit Moos bewachsene Unterwasserstraße ist äußerst glitschig, wesshalb ich mich fürs Schieben entscheide. Die am gegenüberliegenden Flussufer in einem Café sitzenden Griechen - ja wir sind noch immer in Griechenland - scheinen mein Treiben amüsiert zu beobachten. Die Strömung reicht teilweise bis zum Tretlager und erfasst somit auch meine vorderen Packtaschen, wodurch das Vorderrad immer wieder auf dem glatten Untergrund zu rutschen beginnt, was mit entsprechender Schräglage des Rades aber zu handeln ist. Auf der anderen Seite angekommen geselle ich mich zu meinen Zuschauern ins Café und gönne mir zu der eigentlich schon erfrischenden Furt noch eine weitere.
So wurde aus der Tour zum eigentlich 30 km entfernten Edirne, die ursprünglich als Erholungsetappe angedacht war, doch noch ein schweißtreibendes dreistündiges Abenteuer. Der Grenzübergang in die Türkei war dann völlig problemlos, so dass sich die Mühen doch noch ausbezahlt haben.

Furt über die Mariza



Kommentare

  1. Beim Lesen mitradeln, wenn das gelingt, dann folgt man der Reifenspur von Andreas. Da bleibe ich gerne dran und bin dabei.

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  2. hallo Andi, endlich gibt es mal a bisserl mehr Text zum Lesen, wie es etappenweise vorwärts geht. Scheint abenteuerlich und spannend zu werden, je weiter es nach Osten geht....

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  3. Zuerst wollte ich nachfragen, ob du den Tag der Arbeit, erster Mai, auch mit einer besonders kurbelintensiven Tagesetappe gewürdigt hast, aber dann habe ich deine Schlingerspur durch den Fluß Mariza gesehen und da war mir klar, danach wirst du erst mal ausschnaufend entspannen sollen. Übrigens, deine Tourbeschreibung liest sich gut.

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    1. Hallo Gerhard, vielen Dank! Habe den 1. Mai damit verbracht auf die asiatische Seite von Istanbul zu kommen. Radfahren in Istanbul ist wirklich kein Vergnügen, weshalb man es tatsächlich Arbeit nennen könnte.

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  4. Es ist jetzt 20:00 Uhr. Bevor ich die Tagesschau einschalte, ist meine tägliche Übung: Mal sehen wo Andreas steckt? Wobei wir alle hoffen, dass du nirgendwo steckst, sondern dich entspannt strampelnd vorwärts bewegst. Deine veröffentlichte Statistik zeigt, an manchen Tagen beachtenswertes Kilometerpensum bei ausreichend gesunder Ernährung und immer ein festes Dach überm Kopf.

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    1. Hallo Gerhard,
      freut mich, dich als regelmäßigen Besucher des Blogs zu wissen. Auch wenn es schon länger nichts neues mehr zum Lesen gibt, sind nun zumindest auf der Album-Seite ein paar Bilder zu sehen.
      Bemerkenswert für mich sind die dafür benötigten Stunden im Sattel. Hab mich aber längst an das gemächliche Tempo gewöhnt und genieße das Kurbeln durch wunderschöne Landstriche in der Türkei.

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    2. Das ist nachvollziehbar! Wenn die Bilder nicht lügen, dann ist das Gesehene und das offensichtlich Erlebte sehr eindrucksvoll und bestimmt nachhaltig.

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