Was bisher geschah

Drei Wochen sind nun ins Land gezogen, es stehen gut 100 Stunden im Sattel und 1770 km zu buche und ich versuche mal das Wesentliche zusammenzufassen:

Zunächst hatte ich noch einige Begleiter, die mir den Einstieg in die Reise sehr erleichterten. Gerhard hat uns von Bambergen bis Bavendorf eskortiert, was somit die erste Radtour mit Gerhard überhaupt war, welche ich sehr genossen habe. Janina, mein moralischer Windschatten, ist bis Linz mit geradelt, wovor ich direkt mal den Hut zieh: Mit schwer bepacktem Rad einfach mal so aus dem Kalten raus gut 520 km in 6 Tagen zurückzulegen und somit täglich eine 5 Stunden Tour runter zu reißen, erfordert schon so eine Art angeborene Grundlagenausdauer und jede Menge Freude am Radfahren. Gerald hab ich dann in Budapest aufgegabelt, bei dem ich mich 1 Tag regenerieren durfte. Er begleitete mich noch 2 Tage bis über die serbische Grenze und entließ mich dann ins Abenteuer.

Gerald und ich bei tk Budapest

Sattel

Mein ansonsten recht anspruchsloses Gesäß macht Probleme. Vermutlich durch die etwas aufrechtere Haltung, wie ich es sonst gewohnt bin und dem damit einhergehenden erhöhten Druck, wird das Sitzen von Tag zu Tag schlimmer. Dem originalen Sattel, der im Prinzip schon beim ersten Draufsitzen einen schlechten Eindruck machte, wollte ich eine Chance geben. Doch nach gut 500 km und unerträglichen Schmerzen musste ein neuer her. Doch versuch mal mit solchen Schwielen am Arsch einen passenden Sattel zu finden. Bei zwei Radhändlern in Linz, in Summe sicher um die 8 Sättel montiert, passte einfach nichts. Mit dem Versuch mir vorzustellen, welcher mit unverbrauchtem Gesäß denn am ehesten passen könnte, bin ich dann - wie könnte es anders sein - mit dem teuersten aller Möglichkeiten aus dem Laden. Nach weiteren 1000 km kann ich sagen - das könnt was werden mit uns, der könnte passen. Ob's jetzt die Gewöhnung oder wirklich der neue Sattel Besserung brachte wird wohl immer im Verborgenen bleiben.


Wind

Ostwind

Seit dem Start am 31. März herrscht bis auf zwei Schlechtwettertage, an denen sich Westwind einstellte, Gegenwind. Mal mehr mal weniger, mitunter aber auch recht stramm, so dass ich auf topfebener Strecke kurz vor Melk, dem Tor in die Wachau, im einstelligen km/h Bereich und blauen Oberschenkeln unterwegs war.
Der Ostwind zerrt an meinen Packtaschen mindestens so wie an der Moral. Hinter Wien Pause machend an einem horizontal flatternden Windsack halten zwei Rennradler an. Nach kurzem Geplauder meint der Ältere der beiden noch: "Radfahren ist Kopfsache, was du dir einbildest, das spürst du auch." Danach ziehen sie davon Richtung Neusiedler See und ich steh da in dieser elenden Düse - dem Wiener Becken - dem Windsack ins Auge schauend und der Mann spricht von Einbildung! Ehrlich gesagt begleitet mich der Spruch bis jetzt und hat mir schon über manche Situation hinweg geholfen.
Den Höhepunkt erreicht das ganze Getöse auf der Etappe nach Belgrad, auf der die Herausforderung darin bestand sich überhaupt auf dem Rad zu halten. Innerlich mit der Etappe schon abgeschlossen, hält Zoran mit seinem Lieferwagen und dem Angebot an, mich bis in die nächste Stadt mitzunehmen. Gut 30 km bis Novi Sad darf ich nun also neue Energie tanken, um das restliche Stück bis Belgrad nun doch noch in Angriff zu nehmen. Dort warten dann zwar noch Regen, etliche Hundeattacken (dazu später mehr) und natürlich der Gegenwind auf mich. Doch mental gestärkt war auch das zu bewältigen.

Zoran und ich


Das Blatt hat sich nach einem Ruhetag in Belgrad nun gewendet. Die Hauptwindrichtung ist nun Nord bis Nordwest, was mich nun ziemlich beschwingt dahinsegeln lässt. Was vorher einer strammer Ostwind war, schimpft sich nun eine flotte Brise und was vorher 12 km/h auf topfebener Strecke mit feinstem Asphalt und vollem Einsatz waren, sind jetzt gut 30 km/h mit lockerem Tritt. Auch der Schweiß erfüllt wieder seine Rolle, kühlt runter und schützt vor Verbrennungen.


Hunde

Kurze Anleitung, wie man einen Bello zum Wachhund dressiert: Sperr ihn auf deinem Gelände ein - das war's. Ein so gehaltener Hund, schlägt dann absolut auf alles Alarm, was ums Grundstück so passiert. Und hat so ein Hund aus irgendeinem unverantwortlichen Grund dann doch mal unbeaufsichtigten Freilauf, dann jagt er alles was er zu jagen kriegt - und behäbige, schwer bepackte Fahrräder bieten sich da bestens an.
Spiele mit dem Gedanken für Hundeattacken eine best practice Dokumentation zu führen, die den Vorgang, die Abwehrmethode mit Ausgang beschreibt.
In Ungarn und Serbien komme ich nun auf insgesamt 6 Hundeattacken. Damit meine ich nicht diese Kläffer, die unbemerkt an den Zaun sprinten, um dann direkt neben einem anfangen zu bellen, dass man vor Schreck fast vom Rad fällt. Nein, das wäre wie zu Weihnachten auf einer Heimfahrt aus dem Auto Christbäume zu zählen. Bei diesen sechs Vorfällen, d.h es waren 6x 2-6 Hunde gleichzeitig, geht's um die direkte Interaktion mit den Vierbeinern. Sei es, versuchen ruhig weiter zu radeln, während die Kläffer um einen kreisen, oder wild fuchtelnd mit der Pumpe um sich wirbeln um 4 Stk. gleichzeitig von der Wade fern zu halten, oder einen Sprint anzusetzen, da ein Rudel von 6 Stk. einen im Gegenwind doch noch gewittert hat, was bei dem Gepäck und dem strammen Ostwind wahrscheinlich nur einmal gut geht, oder schlichtweg eine andere Routenwahl, um sich der Situation zu entziehen. Sollte es also zu weiteren Anhäufungen solcher Auseinandersetzungen kommen, werde ich nochmal detaillierter berichten.


Serbien, südlich von Belgrad, zeigt sich mir nun von einer völlig anderen Seite. Die Dörfer sind einladend, die Hunde friedlich und der Wind kommt von hinten. Auffällig sind auch die Tankstellen, die geradezu übertrieben sauber und mit englischem Rasen umsäumt sind. Wie viel zu diesem neuen Eindruck der Nordwind beiträgt ist schwer zu sagen. Jedenfalls kann mir ein einheimischer in Nis dieses Süd-Nord Gefälle bestätigen. Aus seiner Sicht seien dies zwei verschiedene Länder. Ein bisschen erinnert es mich an die Dörfer aus den Radurlauben in Italien: Mit Englisch nur noch schwer zu verständigen versuchen einen die einheimischen hartnäckig aber freundlich in Landessprache weiter zu helfen. Nur beim Straßenzustand könnten sich die Italiener sogar noch eine Scheibe abschneiden. Bis auf sporadisch auftretende Schlaglöcher, die den Namen dann auch verdienen, ist hier feinster "Roller" Asphalt vorzufinden.
Leider geht's nun schon wieder Richtung Grenze nach Bulgarien. So war es bisher immer: Beim Landeseintritt nach Ungarn bzw. Serbien fühlte es sich zunächst befremdlich an, sobald man das Land dann wieder verlässt, hat man es schon lieb gewonnen.

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