Südostasien

Mit dem Erreichen von Laos schien das Abenteuer erst mal vorüber. Konversationen in Englisch sind nicht mehr sinnlos, vergleichsweise wimmelt es von Touristen und für einen Kaffee muss nicht der gesamte Ort durchsucht werden. Zusätzlich scheint Singapur, das Ende der Radreise, nun in greifbarer Nähe. Zwar sind noch einige tausend Kilometer zurückzulegen, jedoch stellt sich bereits die Stimmung des letzten Viertels eines jeglichen Urlaubs ein. Viel nimmt man sich nicht mehr vor und das Ende scheint nahe.

Baustellendurchfahrt in Boten/Laos

Aus radfahrerischer Sicht wird es allerdings, vor allem aufgrund der klimatischen Bedingungen, etwas schweißtreibender. Dank endloser Höhenmeter in Chinas Sichuan und Yunnan Provinz war ich wieder in akzeptabler Form. Aus zweierlei Gründen lebte ich diese in den kurzen harten Rampen durch den Dschungel von Laos nicht wirklich aus. Bei moderater Hitze arbeitet mein Körper zwar prinzipiell effizienter, entscheidend ist aber die Luftfeuchtigkeit, die mittlerweile bei einem nassen Waschlappen angekommen ist. Und so läuft mir der Schweiß an den Beinen herunter, direkt in die Schuhe, als sei ich damit durch einen Fluss gewatet. Am nächsten Morgen sind Klamotten und Schuhe immer noch derart klamm, dass man sie noch auswringen könnte. Außerdem sind die Anstiege zwar steil, jedoch schraubt man sich selten weiter als 50 Meter in die Höhe, wonach es sturzflutartig wieder runter geht, um anschließend direkt im nächsten Anstieg zu stehen. Da erfreue ich mich zumindest der Rohloff Schaltung, mit der in einem Handgriff vom 14. wieder in den 1. Gang zu schalten ist. Auch das 19er Ritzel, eigentlich aufgrund der Kettenspannung bei fortgeschrittener Kettenlängung montiert, erweist sich nun als dankbar, womit die Anstiege bei 4-5 km/h lediglich zum Balanceakt werden.
In Thailand angekommen erfreue ich mich besten Wetters und ebenen Straßen. Aus den 6 Packtaschen benötige ich nun nur noch Zahnbürste und tausche bei Ankunft die Rad- mit der Badehose, der restliche Ballast bleibt Trainingsmasse. Zwar ist die Verkehrsdichte, solange ich auf den Hauptverkehrsstraßen unterwegs bin, mit einem damit einhergehenden Lärmpegel, verdammt hoch, doch es lässt sich wieder hervorragend Strecke machen.
Aus der Erinnerung, von einem etliche Jahre zurückliegenden Thailandbesuch, kommt es mir so vor, als seien die TukTuks durch Pickups ersetzt worden. Ebenso hatte ich die Straßenqualität von den damaligen Ausflügen mit dem Motorroller, wesentlich schlechter in Erinnerung. Thailand scheint also investiert zu haben und zumindest den am Tourismus beteiligten geht´s finanziell ganz gut. In abgelegenen Fischerdörfchen sieht das dann wieder ganz anders aus. Das TukTuk ist dort noch ein Muli, wobei selbst die kleinsten Hinterlandsträßchen stets in passablem Zustand sind, was das Radeln in abgelegenen Gegenden durch Reisfelder oder entlang der Küste zum Genuss macht.
In Bangkok bekomme ich Besuch von meinem Kumpel Andi und so stelle ich mein Rad für knapp 2 Wochen ab. Wir stürzen uns umgehend ins Nachtleben, was Andi ohnehin sehr leicht fällt, da die thailändische Nacht etwa der deutschen Tageszeit entspricht. Bei mir führt dies allerdings zu einer Zeitumstellung zurück auf die Deutsche Zeit, die sich dann bis Singapur auch nicht mehr lohnt zurück zu stellen. Na gut, ich fahr von da an täglich in der Mittagshitze und die körperliche Leistungsfähigkeit nach dem alkoholgeprägten Nachtprogramm hat ordentlich gelitten.

Andi²

Malaysia führt dann die steigende Modernität beginnend von Laos über Thailand fort. Da lässt sich nur erahnen, was in Singapur auf mich wartet. Die Wirtschaftskraft Malaysias zieht dann Menschen aller umliegenden Nationen an. So herrscht ein bunter Mix von Indern über Bangladescher bis Chinesen, die auch gleichzeitig die Küche beherrschen. Was nun typisch malaysisch ist, weiß ich also nicht, da mir die chinesische und indische Küche ganz gut zusagt.
Die Lokalität des Monsunsystems in Südostasien habe ich zwar noch nicht vollkommen begriffen, jedoch werde ich zuverlässig jeden Tag mindestens einmal durchnässt. Ein Anziehen der Regenklamotten ist aufgrund von Temperatur und Luftfeuchte, sowie der blitzartigen Starkregenausbrüchen sinnlos.

Starkregenunterstand in 200 m

Und dann auf der letzten Etappe, bei der ich mir Singapur als Tagesziel gesetzt habe, kommt es doch noch zu einem Zwischenfall. Gerade von einem zünftigen Starkregen halbwegs trocken, naja sagen wir wieder klamm geradelt, mache ich während einem Päuschen an einer Raststätte entlang des Highways eine erschreckende Feststellung. Ich pisse Cola! Pechschwarz rinnt es ins Pissoir. Zuerst denke ich an Blut im Urin und fühle mich direkt an die äußerst unangenehme Schmerzen eines Nierensteins erinnert. Doch nein, so dunkel ist Blut nicht. Nach der Befragung von Onkel-Dr-Google schließe ich auf eine starke Dehydrierung, die mir von all den Möglichen Ursachen noch am liebsten war. Zwar habe ich an dem Tag bereits gut einen Liter Wasser getrunken, doch wird sich das über einen längeren Zeitraum angebahnt und die alkoholische Vorbelastung am Vortag wird noch ihr übriges dazu getan haben. Jedenfalls kippe ich mir in der Stunde Pause bestimmt zwei Liter runter, was zwar zunächst nichts an der Urinfarbe ändert, man darf ja auch nicht gleich Wunder erwarten.
An der Grenze zu Singapur stelle ich mich in die Spur der Motorroller, kann weder Liquidität noch Ausreiseeisticket vorweisen, werde am Ende aber doch reingelassen. Waren in anderen Ländern 100 Dollar stets genug, um glaubhaft zu machen, sich ein paar Wochen durchschlagen zu können, ist in Singapur dafür wohl nicht allzu viel zu bekommen. Nachdem dann noch meine Taschen oberflächlich durchwühlt wurden, um zu überprüfen, ob ich denn wirklich keine Schusswaffen oder Drogen dabei habe, konnte ich passieren. Auf dem Immigrationsfetzen, den man mir in die Hand drückt, wird dann noch darauf hingewiesen, dass Drogenhandel mit dem Tod bestraft wird und der Strick droht bereits ab 500 Gramm Marihuana. Na gut, schadet nicht zu wissen, fühlt sich aber trotzdem blöd an.

Immigration Singapur

Das nächste Gewitter liegt schon in der Luft und auch das Tageslicht ist nach dem ganzen Zinnober an der Grenze demnächst erloschen. Ich halte also auf den direkten Weg zum südlichsten Punkt der Insel zu, um das Projekt mit dem Ende der Strasse und am Beginn des Ozeans auch noch offiziell zu beenden. Das benutzen von Express Straßen, was in Malaysia lediglich alle paar Tage mal zu einer Belehrung geführt hat, dauert hier keine 100 Meter, bis ein mit Sirene ankommendes Fahrzeug mich zum Stillstand bringt und zurecht weist. Immerhin blieb es bei einer Verwarnung. Ich beuge mich und fahre bei beginnender Dämmerung auf legalem Wege weiter.
Auf den letzten Kilometern werde ich von einem musikalisch untermalten Feuerwerk in Form von Blitz und Donner empfangen. Dunkler zugezogener Himmel, klare stürmische Luft und jederzeit liegt ein Lichtspektakel mit begleitendem Donner in der Luft. Mit ganzkörperlichen Gänsehautausbrüchen ist dies für mich der erste Moment, indem ich realisiere, mein Ziel erreicht zu haben.

Mit dem Verpacken meines Rades, um es per Schiff zurück zu schicken, beginnt meine Transformation vom Radreisenden zum Touristen. Es stellt sich, ohne Rad, ein verloren gegangenes Gefühl ein und ich muss mich mit Themen des öffentlichen Verkehrs auseinandersetzen.

Vorbereitung zum Versand bei Yang und SK von Tree in Lodge



Mit den erlangten Ausdauerfähigkeiten ist nun auch das Bestreben meines Körpers verbunden, jede aufgenommene Kalorie in den Langzeitspeicher einzulagern, um für die nächste Etappe gerüstet zu sein. Da diese nun erst mal nicht zu erwarten ist und mein Hungergefühl ungebremst besteht, ...nun ja ich beschreib's mal mit: Der Hunger bleibt die Form ist weg.
Mit dem radfahrerischen Ende der Reise, stelle ich auch meine Berichterstattung auf dem Blog ein. Nur soviel: Ich fliege nun nach Neuseeland, kauf mir einen Camper-Van, womit ich auf einen Road-Trip im klassischen Sinne gehe und mach etwas Urlaub vom Radfahren.
Allerdings besteht bereits wieder die Vorfreude in meinem Heimatradrevier Allgäu-Ostschweiz-Vorarlberg, mit vergleichsweise homöopathischem Verkehrsaufkommen, geradezu handzahmen Verkehrsteilnehmern und einem schier unerschöpflichen Wegenetz, eine ausgedehnte Radausfahrt zu unternehmen.

Und wenn man mich nun fragt wie es denn so war, kann ich es oft gar nicht zum Ausdruck bringen. Doch nehmt euch in Acht, wenn ich mindestens die nächsten 30 Jahre zu einem Monolog ansetze: „Als ich damals von Deutschland nach Singapur geradelt bin ...“

Kommentare

  1. Hoi Andi,
    schön von Dir und deinen Erlebnissen lesen zu können.
    liebe Grüsse
    Adrian

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    1. Hoi Adrian,
      freut mich, nach einem halben Jahr Blog-Sendepause meinerseits, dich noch als Leser zu wissen.

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