STANS
Das Leben eines
Rockstars will nicht enden, auch wenn es sich in den STAN Staaten
deutlich verändert. In der Türkei habe ich bekanntlich Bekanntheit
erreicht, im Iran dann den Zenit meiner Laufbahn ausgekostet, um mit
dem Übertritt nach Turkmenistan direkt den Herbst der Karriere
anzutreten. Von den sonst bekannten Attributen eines Rockstars,
gibt's bei mir nun wieder das gelegentliche Bier am Abend, ansonsten
beschränkt sich's aber auf "Roll
over Rocks". Auweia, was wird
mich dann in China erwarten?
Die freudig grüßende
Zurufe vom Straßenrand sind nun zumeist gebrüllte Urlaute oder
Pfiffe aus Hinterhöfen, bei denen man die Schallquelle erst mal
orten muss. Das als Gruß gemeinte Geschrei lässt sich dann nur
durch ein „Salam“ meinerseits oder einer vom Lenker angehobenen,
winkenden Hand, abstellen.
In
Kirgistan ist ein hupendes Fahrzeug in den seltensten Fällen als ein
Gruß zu deuten. Es bedeutet vielmehr: Geh mir aus dem Weg, du hast
mit deinem Rad hier auf der Straße nichts verloren! Dem Wunsch
leistet man dann besser auch Folge, denn die Kirgisen lieben es,
äußerst knapp zu übeholen. Vermutlich hat das mit den, trotz
Rechtsverkehr, meist rechts-gelenkten Fahrzeugen zu tun, wodurch der geringe Abstand zu mir noch besser einzuschätzen ist. Jedenfalls ist man bestens beraten, seine Fahrspur auch bei
auftretenden Schlaglöchern höchsten in Richtung Bangkett zu
verlassen. Selbst das nur mit Schulterblick, so bin ich in der Mitte meiner Fahrspur radelnd auch schon rechts überholt worden, da der Gegenverkehr links keinen Platz ließ.
Für ein Selfie bin ich aber nach wie
vor eine genügend große Attraktion, zu dem ich aber eher
heranzitiert als gefragt werde. Nach dem Akt, zieht der Bilderhascher
dann, mit starrem Blick aufs mobile Endgerät, um sein Instagram
Profil aufzupolieren, auch mal gruß- und wortlos davon.
...aber nun von
vorn.
In Turkmenistan veränderte
sich ab dem ersten Grenzposten das Aussehen der Menschen abrupt ins
Asiatische. Eine Vermischung mit dem Iran scheint es nicht zu geben.
Auch zum ersten Mal wurde jedes Teil aus den Packtaschen von den an
sich freundlichen Grenzern inspiziert und nach der Verwendung
gefragt. Bremsflüssigkeit, Benzinflasche und eine Zahnbürste im
Werkzeug, ließen da doch einige Fragen aufkommen.
Von dem
5-Tages-Transitvisum verstrich ein Vormittag also schon an der
Grenze. Die 500 km mit flachen Höhenprofil hörten sich aber dennoch
zunächst machbar an. Außerdem bin ich noch vor der Grenze auf
Matthew aus Australien gestoßen, mit dem ich beschlossen habe die
Querung des Landes gemeinsam anzugehen. Ein Speichenbruch bei
Matthew's Rad wirft uns nochmal eine weitere Stunde zurück und als
wir uns dann Mittags bei über 40°C in den strammen Gegenwind
stellen, sieht das Erreichen der usbekischen Grenze plötzlich nach
einer Aufgabe aus.
Wir hatten dann unseren
Rhythmus gefunden, wechselten uns im Wind ab und machten in der
größten Mittagshitze nach dem Essen stets ein Nickerchen. Der
Rhythmus wurde dann jäh unterbrochen, als Matthew dieses eine
Joghurtgetränk zu sich genommen hat, das schlussendlich zu einem
Krankenhausaufenthalt führte. Die Ärzte waren sich dann am Tag
darauf äußerst uneins, ob eine Entlassung schon zu verantworten sei
und diskutierten dies noch ausführlich am Patientenbett. Die
Feststellung, dass der letzte Visa-Tag bereits angebrochen war,
führte schlussendlich zum Rauswurf aus Turkmenistan.
![]() |
| Mit Matthew in der Wüste von Turkmenistan |
In Usbekistan angekommen,
blieb die Feststellung, nun in einem besseren Land zu sein. Viel
haben wir von Turkmenistan aufgrund des Gegenwind Kilometerprogramms
zwar nicht gesehen, doch der Kontakt zu Immigrationsamt, Krankenhaus,
den unwirkliche groß angelegten aber fast menschenleeren
Prunkstädten, sowie die preisliche Sonderbehandlung von Touristen, haben nicht das beste Bild hinterlassen.
In Usbekistan waren nun mit
Bukhara und Samerkand zwei historische Städte zu besichtigen, die
jeweils einen angenehmen Aufenthalt von mehreren Tagen erlaubten. Den
Weg Richtung Pamir trat ich nun wieder alleine an, wobei die nächste
Begleitung nicht lange auf sich warten ließ. Erst traf ich Somon,
ein Tadschike, gerade sein Studium in Russland abgeschlossen, der
mich mit seinem Rennrad über den Anzob-Pass nach Dushanbe begleitet
hat. Ab Dushanbe habe ich Begleitung von Sarah und Jonathan, mit denen ich die berüchtigte Pamir Route angehe.
| Samerkand in Usbekistan |
| Sarah und Jonathan mit Begleitung |
Warum das Beradeln des Pamir Highways ein anspruchsvolles und kräftezehrendes Unterfangen sein kann, hat weniger mit den nackten Fakten der Strecke, Höhe und den Höhenmeter zu tun. Vielmehr sind es die Randbedingungen, wie Wetter, Gesundheit und Leistungsvermögen, wodurch jeder seine eigene Geschichte zu erzählen hat - und hier ist meine:
Zunächst habe ich mich
rund 2500 km und etliche Höhenmeter im Voraus auf ein Datum
festgelegt, bis wann ich denn in Bishkek/Kirgistan bin, um mich dort
mit Janina zu treffen, was ich natürlich nicht verpassen wollte.
Die ersten Etappe des
Pamir Highways waren auf teils schlechten grob-steinigen
Schotterpisten zu bewältigen, wo es darum ging abzuschätzen, welche
Geschwindigkeit man seinem Rad dabei auf Dauer zutrauen kann. Ich
ließ dafür soviel Luft aus den Reifen, um mit der Zuladung keinen
Durchschlag zu riskieren, aber dennoch eine erhöhte Dämpfung der 50
mm Bereifung zu erreichen. Die Steigung der „Panj“, woran der Weg entlang führte, war aufgrund
der kurzen 20-prozentigen Rampen, die es ständig hoch und runter ging, kaum
wahrzunehmen. Hier konnte ich den Vorteil meiner Erstgangübersetzung
von 0.651 und die bis dahin meist unnötig breiten Reifen auskosten.
| Trinkpause im Pamir |
Bevor es dann so richtig
in die Höhe ging, hat's mich dann mal erwischt. Habe ich bisher
meine Muskeln auf dem Rad spielen lassen, hat das Rindfleisch nun mal
gezeigt, was es drauf hat und ich lag nach einem Restaurantbesuch für
einen Tag mit Fieber im Bett beziehungsweise saß auf dem Klo.
Anschließend war ich dann der Meinung mit der Höhenanpassung
langsam fortsetzen zu können und quälte mich in 3 Radtagen mit je
um 3 Stunden, nach denen ich jeweils komplett kaputt war und man mich in
den Homestays erst mal wieder aufpeppeln musste, weitere 1500 Meter
in die Höhe. Mit der Feststellung, dass sich die Genesung und
Adaption an die Höhe irgendwie gegenseitig ausbremsen, war dann in
Jelondy, auf 3600 m an heißen Quellen gelegen, ein weiterer Ruhetag
fällig.
Dass ich nicht der einzige
mit Verdauungsschwierigkeiten bin, verrät ein Blick ins
Plums-Klo-Loch. Obwohl der Stuhlgang ja eine äußert individuelle
Angelegenheit ist, attestiere ich mal einem nicht unerheblichen Teil
der Einheimischen gewisse Irregularitäten – das Bild dazu erspare
ich euch.
![]() |
| Blick nach Afghanistan |
Als der Magen erholt und der Körper sich an die Höhe gewöhnt hat, war's eine genussvolle Tour durch die karge Hochgebirgslandschaft und je weiter es in den Pamir ging, desto breiter wurde das Tal und weiter konnten die Blicke schweifen. In den immer selten werdenden Dörfern waren die Kinder die größten Fans, die am Straßenrand Spalier standen und einem die Hand zum Abklatschen entgegenstreckten. Die Tagestemperaturen auf 4000 Meter lagen überraschend hoch bei geschätzten 15-20°C.
Am mit 4655
m höchsten Pass des Pamir Highways treffe ich auf eine Reisegruppe
aus Sonthofen im Allgäu. Diese überlässt mir ihre kompletten
Vorräte an Bergwurzen vom lokalen Metzger Hubert Schmid aus Fischen. Dem Appell,
doch bitte nicht zu schlingen, konnte ich nicht nachkommen und
verzehrte die kompletten Vorräte noch am Passübergang, was nach
Tagen mit Instant-Suppe, Brot und Tee ein Hochgenuss war.
Dass das Wetter in dieser
Höhe den Genussfaktor ganz schnell ändern kann, haben wir noch am
letzten Tag mitgekommen, an denen ich mit drei Holländer unterwegs
war. Niederschlag am Vortag und Schneegestöber am Tag verwandelten
die Wege in Matschpisten, was den Energieaufwand, den letzten Pass zu
erklimmen, deutlich steigerte.
Die Abfahrt nach Kirgistan
war dann trotz schlammiger Piste überwältigend schön. Nach
kräftezehrenden Tagen im kargen Hochplateau von Tadschikistan taucht
man in die Kulisse eines grünen, sanft gewogenen Tals ein, wo
nicht wenige hartgesottene Radler von Tränen in den Augen berichten.
Der Pamir hat mich, mit
all den Umständen, deutlich an Substanz gekostet und ich lasse dort
einiges an Kraft und Ausdauer zurück, was ich mir nun wieder mühsam
antrainieren kann. So bin ich doch in wesentlich besserer Form hinein
geradelt, als ich hinten wieder herausgekommen bin. Zwar sehe ich an meinem Körper noch Reserven, diese sind aber offensichtlich äußerst schwer anzuzapfen. Trotzdem ist die
radfahrerische Freude wieder zurück, bei einer Starthöhe von „nur“
1500 Meter, 1000 Höhenmeter hoch zu pressen, dass man die insgesamt
rund 50 kg Radgewicht fast vergessen möchte.
Auch weil meine Kamera
seit dem Pamir den Dienst verweigert und deshalb nicht all zu viele
Bilder davon existieren, freue ich mich euch diese Kurzfilme zeigen
zu können, in denen auch ich zu Wort komme. Eine schöne Erinnerung
auch für mich, da ich einen nicht unerheblichen Teil der
Protagonisten, die hier die Frage beantworten, warum sie Rad fahren,
selber kennenlernen konnte:



Sensationell!
AntwortenLöschenHammer Videos Andi, du wirst hier noch berühmt :-)
AntwortenLöschenDein Text quillt über vor Wortwitz!! :-D sehr sehr gut geschrieben!
AntwortenLöschenViele Grüße aus dem radel-feindlichen Teheran
Hi Oscar, vielen Dank!
LöschenSchon Teheran, das sieht nun aus meiner Perspektive aus, als wärst du schon kurz vor der Heimat.
Was für ein unterhaltsamer Beitrag! Hoffentlich werden wir auch bald in den Genuss kommen über deine Erlebnisse in China zu lesen.
AntwortenLöschenEs war mir eine Freude und Ehre zugleich dich auf dem Peak Hill zu treffen. Endlich mal wieder jemand mit dem man übers Radreisen plaudern kann und dazu noch auf Deutsch. Ich sehe das als Weihnachtsgeschenk ;-)
Lg
Matthew
Hi Matthew, es war auch mir eine Freude deinen Geschichten zu lauschen und dabei meine Erinnerungen aufzufrischen.
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