Persien

Natürlich habe ich davon gelesen, wie gastfreundlich die Iraner sind. Dass man teilweise mehrfach täglich Einladungen zum Essen und Übernachten in einer Familie erhält, mitten auf der Straße, teilweise aus fahrenden Autos, Verpflegung gereicht bekommt und alle extrem interessiert sind und sich mit einem unterhalten wollen.
Genau dies und noch viel mehr dann aber tatsächlich zu erleben, ist kaum zu fassen. Und in keiner Situation habe ich es erlebt, dass jemand durch die einladende Freundlichkeit am Ende einen Vorteil für sich sucht. Selbst beim Einkaufen oder einer Fahrt im Taxi erwidert einen häufig ein Kopfschütteln, wenn man versucht die Rechnung zu begleichen. Dabei kann es sich jedoch auch um eine Höflichkeitsform handeln und erst bei dreimaliger Ablehnung des Angebots kann man das Geschenk guten Gewissens annehmen.

Naqsch-e Dschahan Platz in Isfahan

Bei Dämmerung in Teheran angekommen, ging ich davon aus, dass diese Herzlichkeit in einer Großstadt doch etwas relativiert sein wird. Sicher ist hier die Verwunderung über einen Touristen  nicht mehr allzu groß und dennoch wurde ich eines besseren belehrt. Kurz bevor ich das angesteuerte Hostel erreichte, stoppt ein Auto und das ältere sichtlich arme Ehepaar reicht mir in einer Take-Away Styropor-Box ein warmes Essen und verschwindet wieder in der stark befahrenen Straße. Die Entscheidung, ob ich das Essen nun kalt werden, oder die Dunkelheit hereinbrechen lasse, war schnell getroffen. Doch zum Essen bin ich dennoch nicht gleich gekommen. Noch bevor ich meine Gabel aus der Fronttasche kramen konnte, hält ein junger Kerl, mit dem Angebot mir sein Essen zu überlassen. Nur mit viel Nachdruck und dem Beweis, dass ich doch schon was zu Essen hätte, ist er etwas betröppelt davon gefahren. Und kaum war der Döner mit Reis verschlungen steht ein drittes Auto am Wegesrand, dessen Insassen mir eine Lunchbox entgegenhielten. Von der Weite winke ich ab und so kam das Essen einem im Müll stöbernden Obdachlosen zu, dessen Dankbarkeit sich allerdings in Grenzen hielt und die Box erst mal auf den Bordstein knallte, um seine Aktivitäten im Müll-Container abzuschließen.

Dinner in den Straßen von Teheran

Um noch vor dem Wochenende die Visaformalitäten für Turkmenistan und Usbekistan zu klären, hatte ich ab Täbris ein paar längere Radtage eingebaut und komme nach einer 180 km Etappe ausgelaugt in Qazvin an und steige im erstbesten Hotel ab, was mit knapp 30 Euro zur gehoben Klasse gehört. Dort treffe ich die Geschwister Elham und Omid, die aus dem Norden Irans kommend selber ein paar Tage Urlaub hier machten. An ihrem letzten Tag vor der Heimreise wollten sie unbedingt ihre Entdeckungen der letzten Tage mit mir teilen und so kam ich zu einer 3 Std Kurzführung durch die Stadt und sie klapperten alle historischen Gebäude, Denkmäler und Sehenswürdigkeiten bei Dunkelheit für mich nochmal ab. So folgte auf den langen Radtag noch ein gefülltes Nachtprogramm mit anschließendem Essen.

Abendessen mit Elham und Omid

Mitunter kann das große Interesse der Menschen auch mal anstrengend sein. Nach einem heißen 7-Stunden Tag im Sattel - wobei die Definition von heiß später nochmal verschoben werden soll - sind einem die gleichzeitigen Fragen von 12 Leuten, wovon einem drei eine Unterkunft anbieten wollen und der Rest einfach nur reden will, auch mal zu viel und man möchte einfach nur in Ruhe da sitzen und sich ausruhen. Man wird auch schon mal vor der Einfahrt in eine Stadt abgefangen und zu seinem auserkorenen Gastgeber eskortiert. Dies war stets alles gut gemeint, doch möchte man sich auch selbst erst mal einen Überblick verschaffen.
In kleineren Dörfern wurde ich mitunter auch mal herumgereicht wie ein Pokal, quasi der Fang des Tages. So habe ich die erste Halbzeit von Iran vs Marokko in einem anderen Wohnzimmer verfolgt als die zweite. Und überall wird man als König behandelt: Sitzt am Kopf des Tisches, bekommt das größte und schönste Stück Fleisch, fängt als erstes an essen usw...
Wenn ich gerade schon dabei bin, da wäre noch der Verkehr! Schließt ein Iraner die Autotür von innen, ist von der zuvorkommenden Freundlichkeit aber auch gar nichts mehr übrig, zumindest werden die Aktionen im Straßenverkehr so von mir gedeutet. Im Prinzip muss man jederzeit mit allem rechnen um halbwegs sicher durch den Verkehr zu schwimmen. Eine ungeregelte Kreuzung wird zunächst mal von allen Richtungen zu gefahren und das Vorfahrtsrecht im eins gegen eins ausgemacht. Und das alles mit enormer Gelassenheit. Der Einzige, der sich wild gestikulierend darüber aufregt bin ich. Man wird von rechts geschnitten, von links geschnitten, und dann wird direkt vor einem gestoppt und die Tür geöffnet. Selber schon am Ausrasten möchte einem der freundlich aussteigende Mann aber nur eine Flasche Wasser reichen und etwas quatschen. Wollte man eine Regel aus dem Verkehrsverhalten ableiten, ist stets der Vordere im Recht. Wie man nach vorne kommt spielt dabei keine Rolle.
Und noch was zum Hupen. Beherrschten die Türken noch das behutsame antippen der Hupe für einen freundlichen Gruß, ist mir es nach gut 2000 km auf iranischen Straßen nicht gelungen, ein grüßendes von einem warnenden Hupen zu unterscheiden. Manch einer ist vor Freude einen Touristen zu sehen so außer Rand und Band und hupt, als sei er aus einer Hochzeitskolonne ausgebüxt ohne es selbst zu bemerken.

Auf dem Weg nach Täbris

Übrigens, das passt jetzt nicht ganz ins Thema, um aber den Bericht wieder ins Positive zu lenken: Ich bin mittlerweile ein überzeugter Anwender der Hocktoilette samt Arschdusche. Richtig angewendet ist dies eine äußerst stuhlgangfördernde und hygenische Angelegenheit.

In Summe bleibt der Eindruck, dass der Iran das reisefreundlichste Land ist, was ich bisher bereist habe. Meine Einblicke über das Diktat der Regierung waren zu gering, um darüber urteilen zu wollen. Das obligatorische tragen langer Hosen für Männer ist dabei sicherlich das kleinste Problem. Jedenfalls ist, nach dem Aufenthalt in etlichen Gastfamilien, der Unterschied zwischen öffentlichem und privatem Leben unübersehbar.

Die 30 Tage des Iran Visum sind nun voll ausgekostet und bei 40°C geht's nun weiter in die STAN-Staaten. Wobei ich die Abkühlung in den höheren Gefilden des Pamirs in Tadschikistan kaum noch erwarten kann.

Kommentare

  1. Sauguad Andi! Freut mich dass der Iran dir gefallen hat! Halt dich bei der Weiterfahrt ein Stück von der afghanischen Grenze fern.

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  2. Sauguad Andi! Freut mich dass der Iran dir gefallen hat! Halt dich bei der Weiterfahrt ein Stück von der afghanischen Grenze fern.

    Grüße
    Benedikt

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    1. Die Erlebnisse und Begnungen mit den Menschen im Iran waren tatsächlich das bisherige Highlight der Reise.
      Landschaftlich gehört Tadschikistan mit dem Pamir Highway - wo die afghanische Grenze zum Programm gehöhrt - und Kirgistan zu meinen Favoriten.

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