Türkei
Zusammenfassend ist die Türkei für
mich geprägt durch unzählige Begegnungen mit äußert
gastfreundlichen Menschen. Hidayet, einer meiner Gastgeber, hat es
ganz treffend formuliert: "Frägst du in der Türkei nach einer
Unterkunft, kann es sein du findest dich am Esstisch einer Familie
wieder".
Edirne, die ehemaligen Hauptstadt des
osmanischen Reiches, wirkt sehr einladend, worauf ich beschließe hier
zwei Tage zu verweilen um die Beine etwas hochzulegen. Mit dem Hostel Limon finde ich eine gemütliche Unterkunft, die meinen Bedürfnissen entspricht: Heiße Dusche, WLAN, Waschmaschine und ein englisch
sprechender Manager, mit dem ich mich außerdem blenden verstehe.
| Edirne Selimiye-Moschee |
![]() Limon Hostel |
Außerdem treffe ich dort auf einen Reiseradler aus Hongkong, der allerdings in die andere Richtung nach Helsinki unterwegs ist. Er berichtet mir von einer sehr eintönigen Strecke bis nach Istanbul, wesshalb er diese mit dem Bus zurück gelegt hat. Was er vergessen hat zu erwähnen ist das durchweg wellenartige Höhenprofil. Nach dem Kartenstudium bereits als zwei Flachetappen abgehakt, erwartet mich auf den 230 km nach Istanbul eine äußerst digitale Radlerei. Ein 50 Höhenmeter Hügel nach dem anderen, so dass ich entweder mit 8 km/h im Anstieg hänge, oder mit 50 km/h herunter Rolle. Und nach jedem "Huggel" stirbt erneut die Hoffnung, dass dies nun der letzte war.
Während einer Pause treffe ich Ana und
Alberto, zwei erfahrene Reiseradler aus Spanien, die per Tandem
Richtung Osten unterwegs sind. Wir beschließen nach einer Stärkung
gemeinsam weiter zu Radeln und so komme ich zu meiner ersten Warmshower Unterkunft (CouchSurfing für Radfahrer) quasi als Trittbrettfahrer. In einer
Rad-Akademie kommen wir in den Trainingsräumlichkeiten unter, wo
junge Kerle, trotz bestem Wetter, fleißig auf der Rolle trainieren.
Wir verbringen einen netten Abend mit Bier und Pasta und tauschen
Reisegeschichten und diverse Visa-Hürden aus.
In Istanbul kümmere ich mich hauptsächlich um mein Iran Visum und komme abermals als Trittbrettfahrer zu meiner ersten CouchSurfing Unterkunft. Nachdem
ich an allen verfügbaren Brücken gescheitert bin, den Bosporus mit
dem Rad zu überqueren, was mich bereits einen halben Tag gekostet
hat, nehme ich am Ende doch ein Schiff nach Asien. Nun bin ich nach
einem halben Tag durch die zweitgrößte Stadt Europas etwa
5 km nach Osten gekommen und mein Ziel am heutigen Tag aus der Stadt
zu kommen wird nun umformuliert in: Nach Asien kommen.
Jenseits des Bosporus, treffe ich dann
gegen 16 Uhr auf Stéphan aus Frankreich, der auf Ersen, seinen
CouchSurfing Gastgeber wartet. Ersen fragt direkt, ob ich bereits
eine Unterkunft habe und lädt mich zu sich ein. Und da Ersen's Bruder gerade noch zu Besuch
ist, verbringen wir zu viert den Abend auf der asiatischen Seite von
Istanbul.
| Frühstück bei Ersen |
Abend am Bosporus |
Alle Begegnungen hier aufzuzählen wäre
zu langwierig, doch von Hidayet und seiner Familie muss ich noch
berichten. In Izmit angekommen sprechen mich zwei Jungen an und ich
frage sie nach einer Unterkunft in der Stadt. Sichtlich bemüht mir
zu helfen, organisiert der 17-jährige Junge mir eine Unterkunft in
einem Art Hotel für Regierungsmitarbeiter. Dort angekommen, komme
ich dann nicht mal mehr dazu die Taschen abzustellen geschweige denn
zu duschen, denn seine Mutter wartet bereits mit dem Essen auf uns.
Daraus wird nun noch ein längerer Abend mit Rotwein im Kreise der
Familie und da Hidayet gutes Englisch und auch Deutsch spricht,
entwickelt sich ein ganz nettes Gespräch über Pappeln und schnell
wachsende Bäume, sowie meine berufliche Vergangenheit, Familie,
Schule und Politik. Gegen Mitternacht werde ich dann, aufgrund eines
bissigen Hundes in der Nachbarschaft, auf mein Zimmer gefahren und am
nächsten Morgen wieder zum Frühstück abgeholt. Ich bin schon etwas
überwältigt von dieser selbstverständlich wirkenden
Gastfreundschaft.
Da ich die Visa der vor mir liegenden
Länder terminlich etwas zu vorsichtig beantragt habe, drossle ich
nun meine Reisegeschwindigkeit, ansonsten werde ich etwa 10 Tage zu früh
im Iran sein. Ich schlage einen etwa 200 km Haken nach Süden
und besuche die Tuffstein Stadt Göreme in Kappadokien, die zum
UNESO-Welterbe gehört. Die christlich geprägte Geschichte geht bis
ins 4. Jahrhundert zurück und es gibt in der sehr touristischen
Gegend einiges zu besichtigen. Nach einer Führung durch
unterirdische Wohnanlagen, quäle ich mich am nächsten Morgen zu
einem weiteren Highlight aus dem Bett, dem frühmorgendlichen
Ballonfahrten über die Stadt, die wahrscheinlich in jedem
Türkeireiseführer zu finden sind.
| Ballone in Göreme |
Ballon in Göreme |
Über Kayseri und Sivas geht es nun
Richtung Hochebene Ostanatoliens, wo ich mehrere Tage zwischen
1200 und 2200 Meter durch landschaftlich wunderschöne Gegenden
komme, wozu dann allerdings auch täglich 1000 bis 2000 Höhenmeter
gehören. Zusätzlich herrscht gewitterhaftes Frühjahrswetter.
Morgens noch herrlichster Sonnenschein, kann man gegen frühen Mittag
die Uhr danach stellen, dass ein heftiges Gewitter über einen hinweg
ziehen wird. Kommt man in der Heimat bei einer 80% Gewittervorhersage zu
90% trocken davon, sind hier die Gewitterzellen so groß, dass man
ziemlich sicher von einem Platzregen erwischt wird. Der routinierte Griff zur Pumpe, zur Selbstverteidigung vor Hunden, ist mittlerweile
abgelöst durch eine enorm kurze Rüstzeit der Regenmontur.
| Imranli in Ostanatolien |
Regenmontur |
Beiläufig bekomme ich mit, dass nun am
15. Mai der Ramadan beginnt. Erfahre aber auch, dass neben
Altersschwachen, Kranken, Schwangeren und Kindern auch Reisende davon
befreit sind. Die Umsetzung davon erlebe ich nun in jeder Stadt
anders, wobei es Richtung Osten tendenziell immer strenger gelebt
wird. So sind z.B. In Erzurum die Restaurants auch Mittags gut
besucht und in Agris wird man auch als Tourist in Restaurants vor 20
Uhr abgewiesen.
Ähnlich ist es mit dem Bier. Vor der
Einreise in den Iran wurde mir schon geraten noch so viel Bier wie
möglich zu trinken. Doch muss man sich zwischen kaltem Entzug,
Entwöhnung und Vorsaufen (wir alle wissen, letzteres funktioniert eh
nicht, bzw. endet im Destaster) gar nicht entscheiden. Je weiter es
in die kurdischen Gebiete Richtung Iran geht, desto schwerer ist es
an Bier zu kommen. Ein mit Zeitungspapier angehängter Kühlschrank
ist z.B. eine sichere Bierquelle und man entwickelt mit der Zeit ein
recht gutes Auge dafür.
Technik News
Nach längerem Suchen konnte ich in
einer Werkstatt einen Messschieber auftreiben, um die Kettenlängung an meinem Rad zu messen. Nach gut 4000 km bekommt meine Campa C9 Kette nun eine
Pause und ich fahre mit einer neuen Shimano HG53 in den Iran. Die
Strategie ist nun diese beiden Ketten so lange durch zu tauschen, bis
ich an neues vernünftiges Material komme – und das kann dauern. Da
die erste Kette aufgrund der Längung nun an der Verschleißgrenze
ist und somit Ritzel und Kettenblatt verstärkt angreifen würde,
wird nun die neue Kette bis zur Verschleißgrenze gefahren, wonach
wieder die Erste drauf kommt. Wartet man mit dem Kettentausch zu
lange, würde eine neue Kette nicht mehr auf die verschlissenen
Zähne von Ritzel und Kettenblatt passen.
Soweit die Theorie – auf nach
Persien!
| Kettenwechsel |
![]() C9 HG53 |




Hallo Andreas, jerzt tippe ich das zweite Mal, Dein Blog mochte meine URL nicht ;-(
AntwortenLöschenEs ist schön Dich so verfolgen zu können! Du hast einen wunderbaren Stil zu schreiben!
Spannend ist es, und inspirierend.
Weiter so, Kette rechts!
Schöne Grüße Max :-D
Hi Max,
Löschenvielen Dank! Freut mich, dass dir meine Berichte gefallen. Viele Grüße
Dein Blog liest sich immer wieder gut. Da wird das eigene Fernweh aktiv. Weiterhin viele tolle Erlebnisse...
AntwortenLöschenJulian
Hi Julian,
Löschenvielen Dank! Gut, dass sich gegen Fernweh etwas tun lässt, ansonsten müsste ich jetzt ein schlechtes Gewissen haben.